Weihnachtsspecial#9 2019 🎄☃️

Weihnachtsmärchen:

Die Wichtelmänner
Es war ein Schuster ohne seine
Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrigblieb als Leder
zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu,
die wollte er den nächsten Morgen in Arbeit nehmen; und weil er ein
gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem
lieben Gott und schlief ein.

Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit
niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem
Tisch. Er verwunderte sich und wußte nicht, was er dazu sagen sollte.
Er nahm die Schuhe in die Hand, um sie näher zu betrachten: Sie waren so
sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es
ein Meisterstück sein sollte.

Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so
gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster
konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln.

Er schnitt sie abends zu und wollte den nächsten Morgen mit frischem Mut
an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand,
waren sie schon fertig, und es blieben auch nicht die Käufer aus, die
ihm so viel Geld gaben, daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen
konnte. Er fand frühmorgens auch die vier Paar fertig; und so ging’s
immerfort, was er abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also
daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte und endlich ein
wohlhabender Mann ward.

Nun geschah es eines Abends, nicht lange vor Weihnachten, als der Mann
wieder zugeschnitten hatte, daß er vorm Schlafengehen zu seiner Frau
sprach: »Wie wär’s, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer
uns solche hilfreiche Hand leistet?«

Die Frau war’s zufrieden und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken,
hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht.

Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine, niedliche nackte Männlein,
setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit
zu sich und fingen an, mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu
stechen, zu nähen, zu klopfen, daß der Schuster vor Verwunderung die
Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende
gebracht war und fertig auf dem Tische stand, dann sprangen sie schnell
fort.

Am andern Morgen sprach die Frau: »Die kleinen Männer haben uns reich
gemacht, wir müßten uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so
herum, haben nichts am Leib und müssen frieren. Weißt du was? Ich will
Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar
Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu.«

Der Mann sprach: »Das bin ich wohl zufrieden.« Und abends, wie sie alles
fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen
Arbeit zusammen auf den Tisch und versteckten sich dann, um mit
anzusehen, wie sich die Männlein dazu anstellen würden.

Um Mitternacht kamen sie herangesprungen und wollten sich gleich an die
Arbeit machen, als sie aber kein zugeschnittenes Leder, sondern die
niedlichen Kleidungsstücke fanden, verwunderten sie sich erst, dann aber
bezeugten sie eine gewaltige Freude.

Mit der größten Geschwindigkeit zogen sie sich an, strichen die schönen Kleider am Leib und sangen:

„Sind wir nicht Knaben glatt und fein?

Was sollen wir länger Schuster sein!“

Dann hüpften und tanzten sie und sprangen über Stühle und Bänke. Endlich
tanzten sie zur Tür hinaus. Von nun an kamen sie nicht wieder, dem
Schuster aber ging es wohl, solang er lebte, und es glückte ihm alles,
was er unternahm.

(Brüder Grimm)


Mfg

Matthias 🎄☃️☺️

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