Weihnachtsspecial#22 2019

Einen besinnlichen 4. Adventssonntag wünsche ich euch. 👋☕🎄😊

Heute ist nicht nur der 4. und letzte Adventsonntag, sondern auch der astronomische Winterbeginn. ⛄

Noch genau zwei Tage bis Heilig Abend und somit noch zwei Weihnachtsspecials hier am Blog. 😃 Ich hoffe dass es euch bis heute gefallen hat und die letzten beiden Specials auch gefallen. Morgen wird es auch zusätzlich nochmals einen Beitrag von der geschätzten Kollegin Mia und mir, für euch im Rahmen der Montagslyriker geben. 👍😊

Am 24. wird es dann nochmals einen privaten Beitrag von mir geben, sowie natürlich auch das letzte große Weihnachtsspecial. 🙌😃🎄🎅

Nun wünsche ich allen noch einen besinnlichen vierten Adventssonntag und viel Freude mit der kommenden Geschichte. 👋😃🎄🎅⛄

Mfg

Matthias 😃🎄

Das Paket des lieben Gottes

Nehmt eure Stühle und eure Teegläser mit hier hinter an den Ofen und vergesst den Rum nicht.
Es ist gut, es warm zu haben, wen man von der Kälte erzählt.

Manche Leute, vor allem eine gewisse Sorte Männer, die etwas gegen
Sentimentalität hat, haben eine starke Aversion gegen Weihnachten. Aber
zumindest ein Weihnachten in meinem leben ist bei mir wirklich in bester
Erinnerung. Das war der Weihnachtsabend 1908 in Chicago.

Ich war anfangs November nach Chicago gekommen, und man sagte mir
sofort, als ich mich nach der allgemeinen Lage erkundigte, es würde der
härteste Winter werden, den diese ohnehin genügend unangenehme Stadt
zustande bringen könnte. Als ich fragte, wie es mit den Chancen für
einen Kesselschmied stünde, sagte man mir, Kesselschmiede hätten keine
Chance, und als ich eine halbwegs mögliche Schlafstelle suchte, war
alles zu teuer für mich. Und das erfuhren in diesem Winter 1908 viele in
Chicago, aus allen Berufen.

Und der Wind wehte scheußlich vom Michigan-See herüber durch den ganzen
Dezember, und gegen Ende des Monats schlossen auch noch eine Reihe
großer Fleischpackereien ihren Betrieb und waren eine ganze Flut von
Arbeitslosen auf die kalten Straßen.

Wir trabten die ganzen Tage durch sämtliche Stadtviertel und suchten
verzweifelt nach etwas Arbeit und waren froh, wenn wir am Abend in einem
winzigen, mit erschöpften Leuten angefüllten Lokale im
Schlachthofviertel unterkommen konnten. Dort hatten wir es wenigstens
warm und konnten ruhig sitzen. Und wir saßen, so lange es irgend ging,
mit einem Glas Whisky, und wir sparten alles den Tag über auf dieses
eine Glas Whisky, in das noch Wärme, Lärm und Kameraden mit einbegriffen
waren, all das, was es an Hoffnung für uns noch gab.

Dort saßen wir auch am Weihnachtsabend dieses Jahres, und das Lokal war
noch überfüllter als gewöhnlich und der Whisky noch wässeriger und das
Publikum noch verzweifelter. Es ist einleuchtend, daß weder das Publikum
noch der Wirt in Feststimmung geraten, wenn das ganze Problem der Gäste
darin besteht, mit einem Glas eine ganze Nacht auszureichen, und das
ganze Problem des Wirtes, diejenigen hinauszubringen, die leere Gläser
vor sich stehen hatten.

Aber gegen zehn Uhr kamen zwei, drei Burschen herein, die, der Teufel
mochte wissen woher, ein paar Dollars in der Tasche hatten, und die
luden, weil es doch eben Weihnachten war und Sentimentalität in der Luft
lag, das ganze Publikum ein, ein paar Extragläser zu leeren. fünf
Minuten darauf war das ganze Lokal nicht wiederzuerkennen.

Alle holten sich frischen Whisky (und paßten nun ungeheuer genau darauf
auf, daß ganz korrekt eingeschenkt wurde), die Tische wurden
zusammengerückt, und ein verfroren aussehendes Mädchen wurde gebeten,
einen Cakewalk zu tanzen, wobei sämtliche Festteilnehmer mit den Händen
den Takt klatschten. Aber was soll ich sagen, der Teufel mochte seine
schwarze Hand im Spiel haben, es kam keine reche Stimmung auf.

Ja, geradezu von Anfang an nahm die Veranstaltung einen direkt
bösartigen Charakter an. ich denke, es war der zwang, sich beschenken
lassen zu müssen, der alle so aufreizte. Die Spender dieser
Weihnachtsstimmung wurden nicht mit freundlichen Augen betrachtet. Schon
nach den ersten Gläsern des gestifteten Whiskys wurde der Plan gefaßt,
eine regelrechte Weihnachtsbescherung, sozusagen ein Unternehmen
größeren Stils, vorzunehmen.

Da ein Überfluss an Geschenkartikeln nicht vorhanden war, wollte man sich weniger an direkt

wertvolle und mehr an solche Geschenke halten, die für die zu
Beschenkenden passend waren und vielleicht sogar einen tieferen Sinn
ergaben.

So schenkten wir dem Wirt einen Kübel mit schmutzigem Schneewasser von
draußen, wo es davon gerade genug gab, damit er mit seinem alten Whisky
noch ins neue Jahr hinein ausreichte. Dem Kellner schenkten wir eine
alte, erbrochene Konservenbüchse, damit er wenigstens ein anständiges
Servicestück hätte, und einem zum Lokal gehörigen Mädchen ein schartiges
Taschenmesser, damit es wenigstens die Schicht Puder vom vergangenen
Jahr abkratzen könnte.

Alle diese Geschenke wurden von den Anwesenden, vielleicht nur die
Beschenkten ausgenommen, mit herausforderndem Beifall bedacht. Und dann
kam der Hauptspaß.

Es war nämlich unter uns ein Mann, der musste einen schwachen Punkt
haben. Er saß jeden Abend da, und Leute, die sich auf dergleichen
verstanden, glaubten mit Sicherheit behaupten zu können, dass er, so
gleichgültig er sich auch geben mochte, eine gewisse, unüberwindliche
Scheu vor allem, was mit der Polizei zusammenhing, haben musste. Aber
jeder Mensch konnte sehen, dass er in keiner guten Haut steckte.

Für diesen Mann dachten wir uns etwas ganz Besonderes aus. Aus einem
alten Adressbuch rissen wir mit Erlaubnis des Wirtes drei Seiten aus,
auf denen lauter Polizeiwachen standen, schlugen sie sorgfältig in eine
Zeitung und überreichten das Paket unserm Mann.

Es trat eine große Stille ein, als wir es überreichten. Der Mann nahm
zögernd das Paket in die Hand und sah uns mit einem etwas kalkigen
Lächeln von unten herauf an. Ich merkte, wie er mit den Fingern das
Paket anfühlte, um schon vor dem Öffnen festzustellen, was darin sein
könnte. Aber dann machte er es rasch auf.

Und nun geschah etwas sehr merkwürdiges. Der Man nestelte eben an der
Schnur, mit der das Geschenk“ verschnürt war, als sein Blick, scheinbar
abwesend, auf das Zeitungsblatt fiel, in das die interessanten
Adressbuchblätter geschlagen waren. Aber da war sein Blick schon nicht
mehr abwesend. Sein ganzer dünner Körper (er war sehr lang) krümmte sich
sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen, er bückte sein Gesicht tief
darauf herunter und las. Niemals, weder vor- noch nachher, habe ich je
einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach.
Und dann schaute er auf. Und wieder hatte ich niemals, weder vor- noch
nachher, einen Mann so strahlend schauen sehen wir diesen Mann.

Da lese ich eben in der Zeitung“, sagte er mit einer verrosteten mühsam
ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden
Gesicht stand, dass die ganze Sache einfach schon lang aufgeklärt ist.
Jedermann in Ohio weiß, dass ich mit der ganzen Sache nicht das
Geringste zu tun hatte.“ Und dann lachte er.

Und wir alle, die erstaunt dabei standen und etwas ganz anderes erwartet
hatten und fast nur begriffen, dass der Mann unter irgendeiner
Beschuldigung gestanden und inzwischen, wie er eben aus dem
Zeitungsblatt erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich
an, aus vollem Halse und fast aus dem Herzen mitzulachen, und dadurch
kam ein großer Schwung in unsere Veranstaltung, die gewisse Bitterkeit
war überhaupt vergessen, und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten,
das bis zum morgen dauerte und alle befriedigte.

Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine
Rolle mehr, dass dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten,
sondern Gott.

(Berthold Brecht)

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